Donnerstag, 24. November 2011

Shadowrun: Resident Hill, Teil IV

Aus dem Tagebuch der Runnerin Blacky, Schamanin, 22.03.2072


00:01
Wir sind wie erstarrt. Sam zieht mit einer fließenden Bewegung seinen Fuß zurück, doch das holzige Pochen kehrt nicht zurück. Die plötzliche Abwesenheit dieses einen Geräusches alarmiert uns bis ins Mark, die geschulten Reflexe greifen und machen uns kampfbereit, ohne dass wir unsere Anspannung und Wachsamkeit an irgendetwas entladen können.
Ein laues Lüftchen geht, flüstert leise in den das alte Haus umstehenden Nadel- und Laubbäumen. Über dem See liegt ein leichter Dunstschleier und irgendwo, nicht weit entfernt, kreischt ein Nachträuber sein Beuteglück heraus. Ich strecke unbehaglich meine Schultern.

Wir nicken uns zu, wortlos beschließend, das Haus zu betreten. Sam geht als erster, wir anderen folgen aufmerksam. Die morschen Verandabretter ächzen. Die nur noch spärlich mit abblätterndem Anstrich undefinierbarer Farbe bedeckte Holztür lässt sich ohne nennenswerten Widerstand öffnen. Sie gibt ein stumpfes Knarzen von sich, kein markerschütterndes Quietschen, wie ich es insgeheim erwartet habe.
Wir betreten das Wohnzimmer, verteilen uns, mustern die Einrichtung und lauschen nach Gefahren. Zu unserer rechten steht ein alter Schrank, der scheinbar nur noch von dem ihn einhüllenden Staub und Spinnweben zusammengehalten zu wird. Direkt daneben befindet sich ein offener, gemauerter Kamin, in dem in den äußersten Ecken und Steinfugen noch Aschereste erkennbar sind.
An der Innenwand links von uns stehen ein Holzschreibtisch und zwei schwere Ledersofas, die zu einer Sitzecke gruppiert sind. Direkt darüber prangt ein großer ausgestopfter Elchkopf. Fehlen nur noch die uns überallhin folgenden Augen, denke ich ironisch. An der gegenüberliegenden Wand ist eine Durchreiche, vermutlich zur Küche, zu sehen. In der hinteren rechten Ecke ist eine Tür, die leicht offen steht. 

Mein Blick bleibt an vier kleinen, bleichen Fingern, die Tür klauenartig festhalten, kleben und ich erstarre. In diesem Moment lassen die Finger die Tür los, die, wie geschmiert, ins Schloss fällt. Alarmiert und irritiert stürzen wir zur Tür und öffnen sie, kanrrend. Niemand (oder Nichts) ist zu sehen, oder zu hören. Sollten wir uns doch vertan und einen Bewohner übersehen haben?
Die überall im Haus verlegten Holzdielen knarren bei jedem unserer Schritte vernehmlich und erzeugen eine ganz eigene bedrohliche Stimmung. Ich rufe mich gedanklich zur Ordnung, oder versuche es jedenfalls. Runnerprofessionalität hin oder her, alte Holzhäuser auf düsteren Lichtungen in menschenverlassenen Wäldern waren so gar nicht unsere Standartarbeitsplätze.

Einen Moment scheint es, als erstarrten nicht nur wir, sondern auch das Haus und die Welt um uns herum. Es ist still. Absolut still. Wie ein Atemholen. Im darauffolgenden Augenblock scheint sie wieder ins Laufen gebracht, als habe ihr etwas einen Schwung versetzt, wie einem zu langsam rotierenden Globus. Der Wind draußen weht sacht und fängt sich leicht säuselnd in den Dachschindeln. Ich will schon die trüben Gruselgedanken beiseite schieben, da höre ich es. Deutlich, leise aber klar zu verstehen: „Das Feuer!“ Ich blicke mich um, mustere Sam, Claw, Screw und Ghost, ob sie etwas gesagt hatten. Doch keiner gibt sich den Anschein, wir alle, immer noch in der Vorwärtsbewegung zum Flur.
Ich stocke und die anderen schauen mich an. „Habt ihr das auch gehört?“ Ich ernte fragende Blicke. „Die Stimme, eben gerade?“, bohre ich weiter nach. Einvernehmliches Kopfschütteln. Mein Magen zieht sich, wie ein Igel, unbehaglich zusammen. Ich zucke die Schultern und hoffe, dass ich mich geirrt habe, und quäle ein verunglücktes Lächeln auf meine Lippen.
Wir gehen weiter. Vorsichtig, doch mit jedem unserer Schritte leichte Knarzgeräusche verursachend, die etwaigen Hausbewohnern leicht unsere Positionen verraten könnten. Ein Albtraum für jeden, nun, Einbrecher.

Im Flur angekommen sehen wir rechts eine kleine schmale Tür, die vermutlich ins Bad führt, was wir bereits von außen durch die zur Veranda herausgehenden Fester schemenhaft haben erahnen können. Daneben führt eine enge, abgenutzte und ausgetretene Treppe nach oben. Direkt gegenüber gibt es eine Tür in die Küche.
Da wir schon - sehr wahrscheinlich - wissen, das sich hinter der schmalen Tür das Bad befindet, entscheiden wir, zunächst einen Blick in den Raum direkt gegenüber zu werfen, bevor wir uns im ersten Stock umsehen wollen. Claw und Sam gehen vorwärts, wir anderen verbleiben im Flur.
Die Küche ist spartanisch eingerichtet und wird von einem kleinen, offensichtlich noch mit Gas betriebenen, Herd mit vier Kochplatten dominiert, den typische Hänge- und Unterbauschränke, vergilbt, rissig, teils mit aus den Angeln hängenden Türen, umgeben. Rechts sehen wir eine trübe Glastür mit einer großen Hundeklappe, die direkt auf die Terrasse führt. Die Klappe schwingt leicht im Wind, alles unverdächtig.

Während Sam und Claw zu uns zurückgehen, wirft Sam einen letzten sichernden Blick zurück – um sogleich zurück in die Küche zu stürzen. Er schaut sich um, scheinbar irritiert, um dannach, etwas bleicher als zuvor, zu uns zurück- zukehren. 
„Was ist?“, bestürmen wir ihn, durch die letzten Sekunden mehr als beunruhigt.
„Ich habe ein kleines Mädchen gesehen, das halb durch die Hundeklappe geklettert war. Ja, schaut  mich nur so komisch an, ich weiß genau, wie sich das anhört! Die Kleine schaute mich düster durch ihre langen schwarzen Haare an, total gruselig. Sie trug ein verschmutztes Kleid, das vermutlich einmal weiß war. Als sich unsere Blicke trafen, kletterte sie blitzschnell durch die Klappe zurück nach draußen – und war verschwunden."

7 Kommentare:

  1. Klasse! Die (An)Spannung bleibt spürbar nur ziemlich kurz diesmal. ^^
    Warum musste ich beim Elchkopf und den folgenden Augen nur an "Eine Leiche zu Dessert denken". Stimme kommen von Kuh an Wand! xD

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  2. Raaaaaaaaaah, ich glaub ich warte mit dem Weiterlesen, bis du alles fertig geschrieben hast. Möcht weiter lesen....jetzt....sofort.


    Liebe Grüße,

    die ungeduldige Nalbis.

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  3. @ Imperator
    Das kommt davon, wenn man die Leser mit einem längeren Text geglückt: Hinterher ist es wieder zu kurz :P

    @ Spankey
    Abhaängig? xD

    @ Nalbis
    Nein nein, nicht warten, sonst macht das Schreiben doch viel weniger Spaß ;)

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  4. ÖRKS! ^^ Das kleine Mädchen erinnert mich schreckhaft an F.E.A.R.! Das Spiel, welches wir trotz 4 Anläufen nie fertig bekommen haben...
    Trotzdem bitte schnell weiter! ^^

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  5. @ Held
    Ich hoffe mehr, als nur beschrieben ;)

    @ Mr.Elch
    Ein guter Text braucht seine Zeit ;) Wenn die Texte häufiger kommen, nimmt nachher noch die Lesemotivation ab ^^

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