Donnerstag, 10. November 2011

Shadowrun: Resident Hill, Teil II

Aus dem Tagebuch der Runnerin Blacky, Schamanin, 21.03.2072
10:20
Nicht einmal 24 Stunden bleiben uns also, den Aufrag zu erledigen. Wobei uns schon die Fahrt in das Örtchen Ronin knappe acht Stunden kosten wird. Und dabei wissen wir nahezu nichts über unseren Zielort, Hindernisse, Wachen. „Perfekte Voraussetzungen“, denke ich sarkastisch.
Wissen ist nicht nur Macht, sondern, besonders bei Typen unseres Schlags, ein Garant für das Überleben. Keiner von uns wäre noch im Geschäft, oder am Leben, wenn er sich leichtfertig in die reichlich vorhandenen Gefahren begeben würde.

Der Johnson wünscht uns kurz angebunden gutes Gelingen, übermittelt uns seine Kontaktdaten, sowie eine Bankanweisung an ein Treuhandkonto, an das unser Vorschuss überwiesen wird, und geht.
Auch wir sind nun spürbar in Eile und leeren unsere Getränke mit raschen Zügen. Bis auf den Unbekannten, der seinen Whiskey bereits wie ein Frühstückshäppchen mit einem Zug geleert hatte. „Ich bin Sam.“ stellt er sich, wie aufs Stichwort, vor. Noch kann ich mich nicht entscheiden, ob mich mehr das Whiskeyfrühstück oder das Verhandlungsgeschick des kahl rasierten und ungewöhnlich gut gebräunten Elfen beeindruckt. Er scheint mit dem Runnergeschäft wohlvertraut, kommt er doch gleich zur Sache. „Euer Mann, wenn es um Matrixangelegenheiten und Schießereien geht.“ Somit weitere direkte Kampfverstärkung, gut. Nun, da ich ihn mir genauer besehe, bestätigen mir sein Verhalten die fließenden, sparsamen Bewegungen, dass er definitiv kein Anfänger ist. 
Er blickt uns auffordernd an und reihum stellen wir uns kurz vor. Während Ghost und ich uns aufgeräumt als die für magische Belange Zuständigen benennen, ich mit einem kleinen Grinsen noch „Und Geistertante...“ anfüge, was mir von seiner Seite einen skeptischen Blick einbringt, knurrt Claw lediglich einsilbig „Nahkampfassassine“ und überlässt alles weitere Sams Phantasie. Die beiden dunkel bebrillten Kämpfer mustern sich einen Augenblick, einander erfahren einschätzend.  „Hoffentlich läuft das nun nicht noch auf einen Schwanzvergleich à la meine Muskeln, Reflexe, Kanonen hinaus…“, denke ich leicht belustigt. 

Wie man so hört, sollen auch die Eltern der Zwillinge, allen voran Vater Spankey, in den Schatten eine namhafte Größe sein. Mehr als nur eine glaubhafte Quelle erzählt davon, dass der Klingenspezialist nach jedem Run regelrecht vor Blut troff und besonderes Vergnügen daran hatte, sich zu sehr auf ihre Schusswaffen verlassende Angreifer mitten entzwei zu teilen. Ob längs oder quer soll ihm dabei wohl egal gewesen sein.

„Hey, nett dich kennenzulernen!“ poltert unversehens der bierblonde Zwerg dazwischen. „Ich bin Screw. Fahrzeuge und Drohnen sind mein Job, der Nahkampf eher weniger.“ In seinem unbedarften und ehrlichen Wortschwall bemerkt keiner, wie Ghost und ich die Lippen zu einem Lachen verziehen, als wir uns an Screws letzten direkten Kampf erinnern. 

Dass man als Runner zumindest wissen sollte, welches das gefährliche Ende einer Schusswaffe ist, hört sich zwar nach einer Selbstverständlichkeit an, sollte aber trotzdem jedem, der auch nur den Hauch eines Gedankens daran verschwendet, sich in die Schatten zu begeben, eingetrichtert werden. Notfalls mit Gewalt. Oder noch mehr Gewalt. Denn viel hätte nicht gefehlt und der Zwerg hätte sich bei einem unserer letzten Aufträge nicht nur nicht gegen den angreifenden und deutlich überlegenen Ork verteidigen können, sondern sich vielleicht auch selbst noch ein Auge, oder andere (un)ersetzliche Körperteile, ausgeschossen. Gerettet hatte ihn lediglich, dass sich sein Gegner beim Ausholen mit seiner Nagelkeule, wie durch Schicksalsfügung, sich diese selbst in den Rücken schlug und dabei halb K.O. ging. Von wegen, die verrücktesten Unfälle geschähen im Haushalt…

Genug der kurzen Vorstellung beschließen wir, die Planung und alles Weitere auf die Fahrt zu verschieben, da sie Zeit bis zur Deadline mehr als knapp bemessen ist. Und wer konnte schon wissen, was uns noch erwarten würde. Erfahrungsgemäß erzählten Johnsons niemals alles. Eher noch weniger.

11:00
Nachdem jeder von uns kurz in seiner Wohnung, oder was er dafür hielt, vorbeischaute und sich entsprechend ausrüstete, sind wir alle pünktlich am vereinbarten Treffpunkt. Claw hatte, wie abgesprochen, einen geländegängigen Minivan gemietet, in dem wir alle, außer Screw, Platz finden. Der Zwerg fährt seinen eigenen und frisch polierten Van, beladen mit seiner Nissan Roto Flug- und der Dobermann Kriechdrohne. Was er sonst noch alles darin verstaut, bleibt sein Geheimnis.

Ich überschlage die Ankunftszeit in Ronin - gegen 18:00. Vor Sonnenuntergang also. Somit war die Geisterbeschwörung fürs erste unnötig, ich würde mich stattdessen vor Ort ein paar Minuten zurückziehen. Wozu schließlich die Arbeit, wenn der Beschworene kaum eine Stunde auf dieser Existenzebene verweilen würde. Zumal uns voraussichtlich vom Dorf aus nur ein weiter, unangenehmer, aber ungefährlicher Fußmarsch erwartet.

Unsere Planungsphase ist ungewöhnlich kurz und beschränkt sich auf wenig mehr, als das Rekapitulieren aller bekannten Daten. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als vor Ort spontan zu agieren. Ich seufze, mache es mir auf der Rückbank in der rechten Eck so bequem, wie möglich, und streife mit den Fingern durch meine wirr, aber gekonnt, nach allen Seiten abstehenden, schwarzen Haare, in dem sinnlosen Versuch, sie zu glätten. Oder einfach nur meine Finger zu beschäftigen. Ich hasse das untätige und ungewisse Herumsitzen, zu dem uns die Fahrt verdammt, auch wenn mein Körper die Ruhephase eindeutig zu schätzen weiß. Trotzdem, mich ärgert die, nun, Johnsonhaftigkeit des Johnson.

7 Kommentare:

  1. Sucht für's erste getilgt. Tat gut. Weiter so, gefällt mir sogar besser als Teil I!

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  2. Deine Ängste die Materie betreffend sind unbegründet. Du machst das Großartig. Ich bestehe auf den heute im ICQ angesprochenen Text. :D

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  3. Soooo geil. Und bin beim Lesen wieder mitten drin im Abenteuer :)

    Nalbis

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  4. @ Held
    Oh, danke schön =)
    Fortsetzung folgt gewiss...

    @ Imperator
    Lob kann ich immer gebrauchen.
    Zum anderen Projekt, nun, dass muss ich nochmal überlegen, wenn ich mir die Größe des Textkorpus so besehe...

    @ Spankey
    =) Bekommst du

    @ Nalbis
    So isses gedacht!

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  5. Wer braucht schon Bücher?? Neben 2274 nun noch das hier! Sehr schön! Bin schon gespannt auf die Fortsetzung! :-)

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