Montag, 25. Januar 2010

Essen ist mehr als Essen

Auf dem Dorf vergeht die Zeit langsamer, als in der Stadt – so sagt man. In einem kleinen Ort nahe des Heimes der rechten Hand des Imperator muss dies in Kombination mit dem für gewöhnlich eher ruhigen Temperament des mittelmerraumstämmigen Lokalbesitzers insbesondere bei der genetischen Programmierung seines Personals zu ungeahnten Konsequenzen geführt haben. Praktischerweise schienen zumindest auch an den Gastsaal grenzenden Räumlichkeiten über ihre eigene Zeitebene zu verfügen.

Oder war es das bedienende Wesen, was in einer Rauzeitanomalie hier und dorthin ploppte, beständig drängend „Kann ich ihnen schon etwas bringen?“ murmelnd? Es schien, als flackerte die unwirkliche Erscheinung sekündlich vom einen zum anderen, mit einer erstaunlichen Fähigkeit, das vielleicht vor Hunger geschwächte menschliche Auge zu täuschen. Kaum wendete der Betrachter sich der Aufstellung köstlicher Speisen zu, schalmeite es ihm erneut entgehen „Kann ich ihnen schon etwas bringen?!“ Hinterlistig wechselte das Wesen sogar Geschlecht und Gestalt, denn bekanntermaßen hört man „Kann ich ihnen schon etwas bringen!“ nicht nur mit jeder Äußerung umso gerner, es intensiviert auch die Vorfreude des Gastes nur umso weiter.
Zufrieden mit der ergatterten Bestellung um die Ecke verschwindend, tauchte es bereits Sekunden später mit den ersten Köstlichkeiten auf, die Gäste mit einer alles überstrahlenden Zuvorkommenheit belohnend. In seinem Eifer nutzte das Wesen all seine gestaltwandlerischen und durch Zeitkontinua wandelnden Fähigkeiten, um auch freudestrahlend simultan bereits den Hauptgang zu präsentieren. Welch bravurös Meisterleistung – wer hätte das erwarten können? Alles zum Wohle des Gastes natürlich, denn nun konnte sein Auge alle Gaumenfreuden gleichzeitig begutachten, denn das regt ja bekanntlich den Appetit nur umso weiter an.

Man konnte dem Bedinungswesen, nun wieder in weiblicher Gestalt, ansehen, wie es sich das Hirn zermarterte, wie es diese Glanzleistung noch übertreffen konnte. Und siehe da – Heureka! Obgleich einer der Gäste noch aß, eilte es dem anderen, vor der Menge an Köstlichkeiten kapitulierenden, zur Seite und stellte flugs die makellose Übersichtlichkeit des Tisches wieder her und beseitigte das für es nun unnütze Geschirr. Grandios. Hinterher musste sich das arme Bedienungswesen wohl tief in seine in seine Raumzeitmulde zurückziehen, um sich von seiner überragenden, das eigene Leben geringachtenden Schnelligkeit zu erholen. Schnelligkeit statt Atmen – das ist Service!

Fazit:
Geschmack: hervorragend. Bedienung: überbedient. Fastfood mit einer ganz neuen Bedeutung – aber man lernt ja nie aus…

1 Kommentar:

  1. Bei dem Titel habe ich ja erst an einen Text über meine Heimatstadt gedacht. :D
    Überbedient wurde ich allerdings noch nie. Von wegen Servicewüste Deutschland, hm?

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